Agroscope-Studie zur Trinkwasserinitiative ignoriert Verfassung und Volkswillen – Initianten verlangen Neumodellierung der Umweltwirkungen

Wiedlisbach, 3. Juli 2020 – Agroscope hat heute eine Studie vorgelegt, welche erhebliche negative Umweltwirkungen der Trinkwasserinitiative (TWI) im Ausland vorhersagt. Allerdings basiert diese Prognose auf unhaltbaren Annahmen. Agroscope ignoriert bei der Modellierung nämlich die Auswirkungen der 2017 mit grossem Mehr angenommenen Ernährungssicherheitsinitiative des Schweizerischen Bauernverbands, die nachhaltige Importe fordert. Die meisten Produkte, welche in der Agroscope-Rechnung die katastrophale Umweltbilanz im Ausland verursachen, dürften bei Inkrafttreten der TWI gar nicht mehr importiert werden. Ausserdem beruft sich Agroscope auf eine unrealistisch strenge Interpretation des Initiativtextes, die bereits 2019 Kritik provozierte – selbst in der Bundesverwaltung. Auch dies verzerrt das Resultat zu Ungunsten der TWI. Offensichtlich versucht Agroscope, sich mit ihrer neuen Studie politisch gegen die TWI zu engagieren – für eine wissenschaftliche Institution, die dem Bundesamt für Landwirtschaft untersteht, ein inakzeptabler Fauxpas.

Artikel 104a über die Ernährungssicherheit, der von zentraler Bedeutung für die Ausgestaltung der zukünftigen Landwirtschaft ist, muss Bestandteil jeder landwirtschaftlichen Prognose sein. Der neue Artikel wurde 2017 vom Volk mit grosser Zustimmung (78% Ja- Stimmen) – und mit voller Unterstützung des Bauernverbands – in der Verfassung verankert. Er bestimmt, dass der Bund grenzüberschreitende Handelsbeziehungen zu schaffen hat, die «zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen» (Artikel 104a Bst. d BV). Dies bedeutet, dass importierte Lebensmittel nachhaltig produziert sein sollten. Der von Agroscope vorausgesagte negative Effekt der TWI im Ausland kann damit gar nicht eintreten.

Ebenfalls keine Berücksichtigung fand Artikel 104a, Bst. e, wonach der Bund die Voraussetzungen für einen «ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln» zu schaffen hat. Die vom Bund gemäss Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung angestrebte Reduktion des Food Waste um 50% wird noch vor Umsetzung der TWI dazu führen, dass erheblich weniger Nahrungsmittel importiert werden müssen – das genaue Gegenteil dessen, was Agroscope in der Studie annimmt. Heute braucht es 500 000 ha Ackerland und 320 000 ha Weideland, um die jährlich 2.8 Mio. Tonnen Food Waste der Schweiz zu produzieren! Jede Reduktion des Food Waste macht also Flächen verfügbar und erhöht automatisch den Selbstversorgungsgrad der Schweiz.

Auch der Initiativtext der TWI wird von Agroscope nur bruchstückhaft aufgegriffen. Weder die Übergangfrist von 8 Jahren noch die Ausrichtung der Finanzmittel für Bildung, Forschung und Investitionshilfen auf eine ökologische Produktion werden in der Studie berücksichtigt.

Aufgrund dieser grundlegenden Mängel sind die Resultate der Studie als tendenziös und unsachlich zu bezeichnen. Auch das Wissen und das Engagement von tausenden Landwirt*innen, die seit Jahrzehnten erfolgreich eine pestizidfreie, gesunde, nachhaltige Lebensmittelproduktion praktizieren und uns die Zukunft weisen, werden in dieser Studie ignoriert.

Agroscope gibt denn auch unumwunden zu, dass ein Einbezug des Ernährungssicherheitsartikels und der fehlenden Aspekte des Initiativtexts zu einer günstigeren Beurteilung der Umweltwirkungen der TWI führen würde. Deren Nichtberücksichtigung führt also zu verzerrten Endergebnissen, welche die Meinungsbildung der Bevölkerung entscheidend beeinflussen. Die Publikation einer solchen Studie widerspricht dem Auftrag einer öffentlich-rechtlichen Institution, politisch neutral und sachgemäss zu informieren. Da die vorbereitenden Informationen der Behörden für die freie Willensbildung der Bevölkerung entscheidend sind, müssen sie objektiv bleiben, d.h. vollständig und sachlich. 

Die Initianten hatten Agroscope bereits im März 2020 um eine Neumodellierung der Studie unter Einbezug der fehlenden Punkte gebeten. Für den 8. Juli 2020 wurde ein gemeinsames Gespräch darüber vereinbart. Statt die Mängel zu besprechen, hat Agroscope es nun vorgezogen, die Studie präzise an dem Tag zu publizieren, an dem sich auch die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben zur Trinkwasserinitiative äussert. Damit stellt sich zum wiederholten Mal die Frage, ob es bei dieser Studie um Wissenschaft geht oder um politische Beeinflussung von Parlament und Öffentlichkeit.

Agroscope-Studie

Für Rückfragen und mehr Informationen
Franziska Herren, Mitinitiantin, Tel. +41 79 829 09 19, info@sauberes-wasser-fuer-alle.ch